Mikroplastik ist ein globales Problem, das nicht kleiner, sondern immer größer wird. Um es zu lösen, müssten die Staaten eine gemeinsame Linie verfolgen.

Früher hielt man nur die Götter unterschiedlicher Religionen für allgegenwärtig. Heute kann die Allgegenwart zurecht einer viel profaneren Sache zugeschrieben werden. Tausende wissenschaftliche Studien haben mittlerweile bewiesen, dass Kunststoff-Partikel selbst in den entlegensten Winkeln der Erde allüberall präsent sind. Mikroplastik findet sich – dies nur eine unvollständige Aufzählung – in den Flüssen und Meeren, den Bäuchen von Fischen, in Nahrungsmitteln, der Atemluft, im Trinkwasser, in Herz, Lunge, Blutbahn, Gehirn, Plazenta des Menschen und in der Muttermilch.

Die konkreten Folgen sind noch weitgehend unbekannt, aber das, was man bisher weiß, verheißt nichts Gutes. Damit weniger Mikroplastik die Welt belastet, müssten die Staaten eine gemeinsame Linie verfolgen und zusammenarbeiten. Denn die Verbreitungswege über Meeresströmungen, Niederschläge und Luftbewegungen sind tatsächlich global. Bis 14. August wollen sich daher 184 Länder in Genf auf ein weltweit verbindliches UNO-Plastikabkommen einigen. Doch die Verhandlungen treten auf der Stelle. Ähnlich wie beim Klimawandel sind die Interessenslagen unterschiedlich, ist das Problem riesig und ist der Weg zu dessen Lösung keineswegs vorgezeichnet.

Der Plastikmüllhaufen wächst

Zu den Zahlen: Im Jahr 2023 wurden 414 Millionen Tonnen Plastik aus Erdöl erzeugt – im Jahr 2018 waren es noch 371 Millionen Tonnen. Die Kunststoffproduktion ist für rund fünf Prozent aller Treibhausgasemissionen verantwortlich – etwa das Doppelte des weltweiten Flugverkehrs. Laut Prognosen des Beratungsunternehmens McKinsey soll sich der globale Plastikmüllhaufen bis 2050 nicht verringern, sondern verdoppeln.

Das UNO-Abkommen soll nun eine Senkung der Produktion und eine geregelte Entsorgung von Plastik umfassen. Die Produkte sollen möglichst mehrfach verwendet und recycelt werden, und was übrigbleibt, soll umweltschonend entsorgt werden.

Doch schon in der ersten Hälfte dieser Verhandlungsetappe gab es fast kein Weiterkommen. Während sich eine Koalition aus über 100 Staaten – darunter die EU – für eine Obergrenze der Plastikproduktion einsetzt, stemmen sich Ölstaaten wie Saudi-Arabien und Russland gegen Produktionsbeschränkungen und wollen das Abkommen auf eine effiziente Abfallwirtschaft fokussieren.

Hierzu aber fehlen wirkungsvolle, massentaugliche Verfahren. Nur ein kleiner Teil der erzeugten Kunststoffe wird geschreddert, geschmolzen und neu verarbeitet. Bio-Plastik aus nachwachsenden Rohstoffen stößt auf den Widerstand der Nahrungsmittelindustrie. Und chemische Verfahren, die Treibhausgasemissionen einsparen, haben Grenzen, wenn Recycling-Abfall verschmutzt ist. Dass der Plastikmüllberg bald durch Wiederverwertung im großen Stil schrumpfen kann, ist daher nicht zu erwarten. Indes machen die USA Druck auf zahlreiche Teilnehmerstaaten, Produktionslimits für Plastik nicht zu unterstützen.

So schädlich wie Feinstaub

Und so verursacht jede Person in der EU durchschnittlich 36,1 Kilogramm Kunststoffverpackungsabfall jährlich. Bisher wurde Mikroplastik in mehr als 1.300 Wasser- und Landtierarten nachgewiesen. Expert:innen gehen davon aus, dass die unsichtbaren Mikroplastikpartikel für den Körper in etwa so schädlich sein könnten wie Feinstaub.

Es besteht also Handlungsbedarf. Es ist Zeit für Mut, nicht für Kompromisse, um es mit dem Biodiversitätsexperten Florian Titze vom World Wildlife Fund zu halten. Ein Abkommen auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner wäre bei einem komplexen Problem wie diesem zwar der leichteste Weg, würde aber die Plastikkrise keineswegs lösen. Aus göttlicher Perspektive wird man sich daher nicht nur die Allgegenwart mit dem lästigen Müll teilen müssen, sondern vielleicht auch die Ewigkeit.

www.wienerzeitung.at