„Wir haben viele Bälle in der Luft“, sagte Agrarlandesrätin Michaela Langer-Weninger (VP) am Freitag bei der Pressekonferenz zum agrarpolitischen Herbstauftakt auf der Rieder Messe. Die landwirtschaftlichen Schulen seien voll, es gebe ambitionierte Jungbauern – die Landwirtschaft habe also Zukunft. „Aber wir stehen vor komplexen Herausforderungen.“

Derzeit wird über die hohe Inflation in Österreich diskutiert. Staatliche Eingriffe in Lebensmittelpreise seien abzulehnen, sagte Langer-Weninger: „Wir müssen uns die tatsächlichen Gründe für die Preissteigerungen ansehen.“ Das seien vor allem die Energie und der Österreich-Aufschlag, den internationale Markenkonzerne verrechnen. Studien zeigen laut Langer-Weninger, dass von 100 Euro, die Konsumenten für Lebensmittel ausgeben, nur vier Euro bei den Bauern bleiben. „Der Rest verteilt sich auf Handel, Verarbeitung und Gastronomie.“ 

Ein zentrales Problem sei der Mangel an Preistransparenz: „Mehr Transparenz könnte helfen, die Preisentwicklung nachvollziehbar zu gestalten und die Diskussion zu versachlichen.“ Laut EU-Kommission lag die Inflation bei Lebensmitteln in Österreich zwischen 2019 und 2024 deutlich unter dem EU-Durchschnitt. „Wer Preisobergrenzen fordert, sollte die Ursachen nicht ignorieren: Es sind Energiepreise, globale Marktschwankungen und Wetterereignisse, die Preisschwankungen verursachen, nicht unsere Bäuerinnen und Bauern“, so Langer-Weninger.

Sie forderte auch Änderungen beim EU-Budgetvorschlag und öffentliches Geld für auferlegte  Renaturierungsmaßnahmen. 

Förderungen und Renaturierung

Die EU-Kommission will die zweite Säule der Förderungen, jene für die ländliche Entwicklung, in der bisherigen Form abschaffen. Die einzelnen Staaten sollen darüber entscheiden.  Österreichische Sonderetats wie das Programm für Umweltgerechte Landwirtschaft (Öpul) und die Bergbauern-Ausgleichszulage seien dadurch gefährdet, sagte die Landesrätin: „Unsere heimischen Betriebe sind in Qualität, Tierwohl, Umweltleistungen und Nachhaltigkeit europaweit vorbildlich.“ Die Präsentation der EU-Kommission im Juli  war der Startschuss für die Verhandlungen zwischen der Kommission, den Regierungen der Mitgliedsländer und dem Europäischen Parlament. „Diese werden voraussichtlich zwei Jahre dauern. Wir haben also Zeit, unsere Forderungen in aller Deutlichkeit einzubringen und an einem positiven Endergebnis im Sinne der bäuerlichen Familienbetriebe sowie der Gesellschaft zu arbeiten“, sagte Langer-Weninger.

Die EU-Renaturierungsverordnung habe viel Unsicherheit ausgelöst. Alle Mitgliedsstaaten müssen bis September 2026 nationale Pläne für die Wiederherstellung der Natur für den Zeitraum bis 2050 erstellen. „Für die Umsetzung der Verordnung müssen alle Beteiligten – vor allem aber die bäuerlichen Familienbetriebe – eingebunden werden“, so Langer-Weninger. Sie erklärt: Die bundesweiten Biodiversitätsflächen betragen aktuell 245.000 Hektar. Das sind 10,7 Prozent der Acker- und Grünlandflächen. Damit stellen die Biodiversitätsflächen bereits die drittgrößte Ackerkultur in Österreich dar.

Entwaldung und Mercosur

Landwirtschaftskammer-Oberösterreich-Präsident Franz Waldenberger warnte, dass EU-Regularien zu mehr Agrarindustrie statt familiärer Landwirtschaft führten. Es brauche bei der Entwaldungsverordnung und der Industrieemissionsrichtlinie Änderungen.

Bei der EU-Entwaldungsverordnung, die in Etappen Ende 2025 bzw. Mitte 2026 in Kraft treten soll, müssten  heimische Holz-, Rindfleisch- oder Soja-Produzenten Sorgfaltserklärungen abgeben und Referenznummern für Produktstandorte in einer EU-Datenbank hinterlegen. „Die EU-Kommission vereint nahezu alle Länder in einer undifferenzierten Bewertung, die die Tropenwaldabholzung nicht verhindert, aber erhebliche bürokratische Belastungen für Holz, Soja und Rindfleisch innerhalb der EU entlang den Wertschöpfungsketten schafft. Denn besonders in Österreich findet keine Entwaldung statt – Österreichs Waldfläche wächst kontinuierlich“, sagte Waldenberger.

Die EU-Industrieemissionsrichtlinie, die 2024 auf EU-Ebene novelliert wurde, beinhaltet niedrigere Grenzwerte für Großvieheinheiten (GVE). Sie betrifft damit künftig nicht nur die Schwerindustrie, sondern  auch immer mehr bäuerliche Familienbetriebe in der Schweine- und Geflügelhaltung. Bis Juli 2026 muss die Richtlinie in das Umweltschutzrecht in Oberösterreich integriert werden. „Dadurch werden die Genehmigung und der Bau neuer Stallungen zu einem jahrelangen langwierigen bürokratischen Hindernis mit mehrfachen Überprüfungen und hohen Kosten“, sagte Waldenberger. Bestehende Stallungen müssten in den nächsten Jahren dem aktuellen Stand gerecht und mit teils hohen Kosten nachgerüstet werden.

Das Mercosur-Handelsabkommen lehnen die Bauernvertreter weiter ab. Sollte es doch kommen, brauche es Herkunftskennzeichnung und einen Fonds mit Entschädigungen für Bauern bei Marktstörungen, so Waldenberger. Auf Nachfrage sagte er, dass es realpolitisch wohl zu erwarten sei, dass das Abkommen mit den südamerikanischen Staaten komme. Entscheidend bei der Abstimmung wird vor allem Frankreich. „Ich fordere die österreichische Bundesregierung mit allem Nachdruck auf, weiter konsequent an der Ablehnung des EU-Mercosur-Abkommens festzuhalten“, so Waldenberger. Trotz der mittlerweile eingebauten Importquoten und Schutzmechanismen habe man weiter „ernsthafte Bedenken bezüglich der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Produzenten und eines ausgewogenen Marktzugangs“. 

Landwirtschaft in der Schule

Landesbäuerin Johanna Haider forderte verpflichtende Integration der Themen Lebensmittelproduktion und Ernährung in den ersten sechs Schulstufen und verwies auf eine neue Info-Broschüre. „Es ist unsere Verantwortung, jungen Menschen die Bedeutung der heimischen Landwirtschaft näherzubringen“, so Haider. Die Inhalte der Broschüre (https://ooe.bauernbund.at/broschueren/) wurden in Zusammenarbeit mit Organisationen wie der Landwirtschaftskammer Oberösterreich und den „Esserwissern“ fachlich und methodisch aufbereitet.

„Zu wenige oder falsche Informationen über die heimische Landwirtschaft in den Schulen lassen das Wissen über die Lebensmittelproduktion bei Kindern und Jugendlichen sinken“, sagte Haider. Zu Schulbeginn 2024 hat der Verein „Wirtschaften am Land“ Schulbücher der ersten acht Schulstufen (Volksschule und AHS) auf ihre Inhalte hin überprüft. Der Schwerpunkt lag dabei auf den Themen Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion. In vier von zehn Schulbüchern finden sich keine landwirtschaftlichen Inhalte. In den restlichen Schulbüchern sind meist knappe und lückenhafte Informationen. Statt realistischer Bilder von landwirtschaftlichen Betrieben finden sich in den Schulbüchern meist nur idyllische Zeichnungen.  Auch soll jedes Volksschulkind die Möglichkeit haben, die heimische Lebensmittelproduktion im Rahmen des Unterrichts bei einem Besuch am Bauernhof hautnah zu erleben, so Haider.

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