Österreichs Exporte nach Afrika wachsen. Aber noch konzentrieren sie sich auf wenige Länder. Experten sehen große Chancen auf dem Kontinent.

Wien. Die Delle der Coronajahre ist durchtaucht. Nachdem das heimische Exportvolumen nach Afrika in den Jahren 2020 und 2021 zurückgegangen war, folgte 2022 der Rebound. Samt Rekord. Denn erstmals exportierten österreichische Unternehmen Waren und Dienstleistungen im Wert von mehr als zwei Milliarden Euro auf den Kontinent südlich des Mittelmeers.

Tendenz steigend. Das Exportpotenzial nach Afrika ist nämlich bei Weitem noch nicht ausgereizt, wie man bei der Wirtschaftskammer (WKO) im Vorfeld des für Dienstag anberaumten Afrika Days betonte. Derzeit gehen erst rund ein Prozent aller österreichischen Exporte in die 54 zum Teil rasant wachsenden afrikanischen Staaten. Auch innerhalb Afrikas sind Österreichs Exporte stark auf einzelne Länder konzentriert. So geht rund ein Drittel aller Afrika-Exporte nach Südafrika, die sechs wichtigsten Exportmärkte auf dem Kontinent vereinen bereits drei Viertel aller heimischer Exporte auf sich.

Rasante Industrialisierung

„Die Wachstumsmärkte in Afrika sind fordernd, gleichzeitig sehen wir eine Fülle an Geschäftsmöglichkeiten“, sagt Mariana Kühnel, stellvertretende Generalsekretärin der WKO. Denn auch wenn etwa die Rechtssicherheit oft nicht europäischen Standards entspricht und öffentliche Auftraggeber häufig überschuldet sind, sind in vielen afrikanischen Staaten doch Trends am Werk, von denen österreichische Unternehmen profitieren können.

Die fortschreitende Urbanisierung etwa schafft Nachfrage in Bereichen wie Infrastruktur, Smart City, Wasserversorgung und Ressourcenmanagement. Die Industrialisierung – die Industrieproduktion des Kontinents hat sich seit dem Jahr 2000 etwa verdoppelt – erzeugt Nachfrage nach Anlagen und Maschinen. Und überhaupt sparen Digitalisierung und Energiewende auch Afrika nicht aus. Der „Economist“ identifiziert etwa auch den IT-Sektor als Treiber des heurigen Wachstums auf dem Kontinent.

Jedenfalls erwarten Ökonomen, dass Afrika weltweit gesehen heuer die nach Asien am stärksten wachsende Makroregion sein wird. Und innerhalb des Kontinents dürfte vor allem die Volkswirtschaften Ostafrikas kräftig zulegen.

Dabei fällt das Anfang 2021 in Kraft getretene und nach Ländern weltweit größte Freihandelsabkommen (AfCFTA) der Welt noch gar nicht ins Gewicht. Mit Ausnahme Eritreas, jener abgeschotteten Militärdiktatur, haben sich alle Staaten des Kontinents dazu bekannt, Handelshürden abzubauen. Doch bis das Handelsabkommen seine Wirkung entfalten und spürbar Wohlstand schaffen kann, müssen dem Bekenntnis Taten folgen. So fehlen vielfach selbst zwischen Nachbarländern Transportwege übers Land.

Verdoppelung möglich

Derzeit sind es einige wenige Unternehmen, die für das Gros der österreichischen Afrika-Exporte stehen. Beispiele sind der Energydrink-Hersteller Red Bull, der Turbinenhersteller Andritz, der Motorradbauer KTM und das Motorenwerk von BMW in Steyr.

Wobei die Exporte von Land zu Land variieren. So sind in Nigeria etwa Textilien aus Vorarlberg nachgefragt, und die algerische Möbelindustrie verarbeitet auch österreichisches Schnittholz. In der 2019 fertiggestellten großen Moschee von Algier etwa hängt ein Luster des Tiroler Kristallkonzerns Swarovski. Und das Minarett der Moschee wurde mit österreichischer Beteiligung gebaut.

Was heimische Betriebe nach Afrika exportieren könnten, hat das Internation Trade Center (ITC) erhoben, dessen Analysen ein zusätzlich nutzbares Exportpotenzial von rund zwei Mrd. Dollar ausweisen. Etwa eine Verdoppelung der Afrika-Exporte wäre demnach möglich.

Bei der WKO will man mit dem jährlich begangenen Africa Day heimischen Firmen die Chancen und Herausforderungen in Afrika näherbringen. Man dürfe auch nicht trödeln, warnt Kühnel. Denn andere Länder hätten die Chancen in Afrika längst erkannt und arbeiten auch daran, die dortigen Exportmärkte zu erschließen.

Aloysius Widmann www.diepresse.com